Wenn von heute auf morgen
alles anders wird.
Dies ist meine Geschichte,
die Ihnen vielleicht Mut macht.

Ich war 18 Jahre, hatte gerade das Abitur geschafft und freute mich auf ein Leben voller Möglichkeiten. Bis zu einem Kopfsprung in den Swimmingpool … meine nächste Erinnerung: Bewegungslos im Bett, mein Kopf ist fixiert, überall piepst es und ich bin an viele Schläuche und Kabel angeschlossen. Ich kann nicht mehr selbstständig atmen, nicht mehr sprechen, unbekannte Menschen schauen besorgt auf mich herunter. Diagnose: komplette Querschnittlähmung unterhalb C1/C2.

„Ihr Leben wird sich im Bett abspielen.“
Nach langen Kämpfen stabilisierte sich meine körperliche Situation einigermaßen. Der zuständige Arzt prognostizierte: „Sie werden vielleicht einmal das Kopfteil etwas höher stellen können, aber Ihr Leben wird sich im Bett abspielen.“ War das die einzige Motivation, die mir geschultes und ausgebildetes Krankenhauspersonal bieten konnte?

„Wollen Sie so überhaupt weiterleben?“
Ein Psychologe sollte mir dabei helfen, alles zu verarbeiten. Er begrüßte mich mit den Worten: „Ich bin mir nicht sicher, wie ich in Ihrer Lage reagieren würde und ob ich überhaupt noch weiter leben wollte!“ War das die Antwort auf die vielen Fragen, die mir in dieser erschreckend neuen Situation im Kopf herumschwirrten?

„Mein Leben ist anders als geplant. Aber es ist mein Weg.“
Heute denke ich oft: Wie gut hätte mir damals ein Blick in die Zukunft getan. Wie sehr hätte es mir geholfen zu erfahren, dass mein Weg zwar anders aussehen würde als gedacht, aber dass er sinnerfüllt sein wird und mich stolz machen wird. Wie gut hätte es mir getan, jemanden zu kennen, der schon länger so lebt – und gut lebt. Ich habe hart kämpfen müssen, um dahin zu kommen, wo ich heute bin. Meine Familie und Freunde haben mich stets unterstützt, aber auch für sie war alles neu und nur schwer vorstellbar. Ich hätte mir gewünscht, einen Menschen zu treffen, der aus eigener Erfahrung weiß, wie es mir geht. Jemand, der so etwas selbst durchlebt hat und mich ohne große Worte versteht.

„Ich möchte anderen zeigen, dass sie es schaffen können.“
Heute möchte ich diese Lücke füllen und Menschen in einer ähnlichen Lage zeigen, dass sie nicht alleine sind und wie sie mit einer so hohen Querschnittlähmung ein glückliches, erfülltes Leben führen können. So wie ich es heute tue. Für mich ist die körperliche Situation Alltag, daher kann ich weiter blicken als andere, die nur die für sie unbegreifliche medizinische Dimension sehen. Nach einem so radikalen Umbruch kann man leicht den Halt verlieren und verzweifeln. In dieser Situation kann ich Betroffenen und Angehörigen als Begleitung, die „nur da“ ist und der man nichts erklären muss, helfen, neuen Boden unter den Füßen zu spüren und den eigenen Weg anzugehen. Sich als Person neu wertschätzen zu lernen, die eigene Würde wiederzufinden und zu stärken.

„Wir sind nicht nur Patienten. Wir sind eigenständige Persönlichkeiten.“
Denn nur über ein neues Selbst-Wert-Gefühl gelangt jemand mit großen körperlichen Einschränkungen zu einer Selbstständigkeit, in der die eigenen Kompetenzen auch von Außenstehenden gesehen und anerkannt werden. Nur so werden wir als gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe akzeptiert und nicht nur als Patienten gesehen, die versorgt werden müssen, ständig auf Hilfe angewiesen sind und Kosten verursachen. Wir selbst müssen als Erste lernen, wie wertvoll unser Leben ist. Erst dann können wir es anderen Menschen zeigen.

„Heute bin ich aktiv und habe viele Pläne für die Zukunft.“
Nach meinem Romanistik- und Geschichtestudium habe ich im Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e. V. als Vorstandsmitglied, Beraterin und Projektleiterin gearbeitet und eine Ausbildung zur Peer Counselerin – Beraterin für Menschen mit Behinderung – absolviert. Heute unterrichte ich Auszubildende für medizinische Berufe und halte bei Kongressen Vorträge über selbstbestimmtes Leben, Leben mit Beatmung und Reisen mit Intensivpflege.

Mein Leben ist reich und voller spannender Begegnungen und Erlebnisse. Doch der Weg hierher war alles andere als leicht und erfordert täglich diszipliniertes, kontinuierliches Arbeiten an mir selbst. Niemand kann mir das abnehmen, die Arbeit wird nie aufhören und immer wieder stoße ich an meine körperlichen und psychischen Grenzen. Aber es lohnt sich: Denn es ist mein Leben.